Enterprise Value vs. Equity Value
Vom Unternehmenswert zum Kaufpreis
Der Begriff Unternehmenswert wird nicht immer einheitlich definiert. Zwei wichtige Größen, deren Unterscheidung im Zuge einer fundierten Diskussion – vor allem im Rahmen von Unternehmensverkäufen - von entscheidender Rolle ist, sind der Enterprise Value (Gesamt-Unternehmenswert) und der Equity Value (Eigenkapitalwert).
Definition
Enterprise Value: Auch als Gesamt-Unternehmenswert bezeichnet, stellt der Enterprise Value den gesamten Wert eines Unternehmens dar, inklusive aller Finanzverbindlichkeiten und liquiden Mittel. Er gibt an, wie viel es kosten würde, ein Unternehmen zu erwerben, indem sowohl das Eigenkapital als auch die Nettofinanzverbindlichkeiten übernommen werden. Der Enterprise Value wird oft als umfassendere Kennzahl angesehen, da sie die gesamte Kapitalstruktur des Unternehmens berücksichtigt.
Equity Value: Dieser Wert repräsentiert den Wert des Eigenkapitals eines Unternehmens, also den Wert, der den Gesellschaftern zusteht und wird deswegen auch Eigenkapitalwert genannt. Es ist der Marktwert der ausstehenden Aktien eines Unternehmens und reflektiert somit nur den Wert, der den Aktionären gehört, ohne die Nettofinanzverbindlichkeiten des Unternehmens zu berücksichtigen. Im Rahmen von M&A-Transaktionen ist dies der Wert, der den Unternehmenseigentümern als theoretischer Kaufpreis zusteht.
Nettofinanzverbindlichkeiten: Dies ist die Differenz zwischen den gesamten Finanzverbindlichkeiten eines Unternehmens und seinen liquiden Mitteln bzw. dem Finanzvermögen, auch Net Debt bezeichnet. Übersteigen die liquiden Mittel/Finanzvermögen die Finanzverbindlichkeiten, werden Nettofinanzvermögen anstelle von Nettofinanzverbindlichkeiten ausgewiesen.
Unternehmensbewertung kann auf Stufe des Enterprise Value oder des Equity Value erfolgen
Der Unternehmenswert lässt sich abhängig von der jeweiligen Verfahrensauswahl entweder auf der Stufe Gesamtkapital (Enterprise) oder der Stufe Eigenkapital (Equity) einordnen. Während bei Bewertungsverfahren nach dem Equity-Approach das Resultat ein Unternehmenswert ist, der nur den Eigenkapitalgebern zuzusprechen ist, berechnet der Enterprise-Approach den Unternehmenswert, der sowohl Eigen- wie auch Fremdkapitalgebern zusteht.
Diese Unterscheidung zwischen dem Wert des Eigenkapitals und dem Wert des Gesamtkapitals ist besonders im Rahmen einer Unternehmensbewertung nach der DCF- und der Multiplikatormethode entscheidend.
Je nach Definition der bewertungsrelevanten Cashflows und des Diskontierungsfaktors, wird im Rahmen der DCF-Methode zwischen dem Bruttoverfahren (Enterprise/Entity-Ansatz) und dem Nettoverfahren (Equity-Ansatz) differenziert. Das Bruttoverfahren ermittelt durch Abzinsung der Zahlungsüberschüsse, die allen Kapitalgebern zur Verfügung stehen, den Gesamtwert des Unternehmens. Beim Nettoverfahren werden nur diese Zahlungsüberschüsse abgezinst, die ausschließlich den Eigenkapitalgebern zuzusprechen sind.
Auch bei der Unternehmensbewertung anhand von Multiplikatoren kann zwischen Equity Value-Multiplikatoren und Enterprise Value-Multiplikatoren unterschieden werden. Während die Bewertung eines Unternehmens mit Enterprise-Multiplikatoren immer eine solche nach dem Wert des Gesamtkapitals ist, stellt eine Unternehmensbewertung mit Equity Value-Multiplikatoren eine Bewertung des Eigenkapitals eines Unternehmens dar.
Überleitung anhand der Equity Bridge
Da in der Praxis und wissenschaftlichen Literatur Bewertungsmethoden, die den Enterprise Value berechnen, eine weitaus höhere Relevanz aufweien, müssen ausgehend vom Enterprise Value (Wert des Gesamtkapitals) einige Komponenten berücksichtigt werden, um auf den Equity Value (Wert der Eigenkapitals) überzuleiten. Diese Überleitung kann anhand der „Equity-Bridge“ zusammengefasst werden:
Liquide Mittel = Kassenbestand bzw. Bankguthaben vermindert um betriebsnotwendige Liquidität und gebundene Liquidität.
Finanzvermögen = Die Position Finanzvermögen umfasst zinstragende Vermögensgegenstände wie Darlehen oder ausgegebene Ausleihungen sowie nicht betriebsnotwendige Vermögensgegenstände wie z.B. Wertpapiere, Grundstücke, Gebäude und nicht voll konsolidierten Beteiligungen
Finanzverbindlichkeiten = Finanzverbindlichkeiten umfassen zinstragende Verbindlichkeiten wie Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, Anleihen und Gesellschafterdarlehen.
„Quasi“ Finanzverbindlichkeiten = „Quasi“ Finanzverbindlichkeiten haben keinen eindeutigen finanziellen Charakter, sind jedoch in der Equity Bridge zu berücksichtigen. Darunter fallen unter anderem Pensionsrückstellungen, Ertragssteuerverbindlichkeiten und -rückstellungen, Leasingverbindlichkeiten, ausstehende Dividenden sowie Rückstellungen und Verbindlichkeiten, die nicht im Zusammenhang mit dem operativen Geschäft stehen bzw. ungewöhnlich hoch sind.
Minderheitsanteile (Anteile Dritter) = Ist das Bewertungsobjekt ein Konzern, werden Beteiligungen bei denen ein beherrschender Einfluss (Beteiligungshöhe > 50%) besteht, voll konsolidiert. Es werden jedoch nicht bei allen Mehrheitsbeteiligungen 100% der Anteile gehalten. In solchen Fällen werden in der Konzernbilanz sogenannte „Minderheitsanteile“ ausgewiesen, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass eine dritte Partei einen gewissen Anteil an einer voll konsolidierten Tochtergesellschaft hält. Im Rahmen der Equity Bridge muss der Marktwert der Minderheitsanteile als Nettofinanzverbindlichkeit Berücksichtigung finden.
Schlussbemerkungen
Es ist jedoch anzumerken, dass es weder in der Praxis noch in der wissenschaftlichen Literatur ein allgemeingültiges Standardmodell zur Überleitung vom Enterprise Value zum Equity Value gibt. Daher ist vor allem die Quantifizierung der Nettofinanzverbindlichkeiten als subjektive Einschätzung zu betrachten. Der finale Kaufpreis kann sich vom berechneten Unternehmenswert unterscheiden, denn dieser ist Gegenstand der Verhandlungen mit dem interessierten Käufer.