Bewertungsmethoden im Überblick

Wieso gibt es verschiedene Methoden, um den Unternehmenswert zu bestimmen?


Sowohl die betriebswirtschaftliche Literatur wie auch die unternehmerische Praxis zeichnen sich durch eine große Vielfalt an unterschiedlichen Methoden zur Bewertung von Unternehmen aus. Aswath Damodaran, ein amerikanischer Professor für Finance an der Stern School of Business der New York University, kommentiert diesen Sachverhalt wie folgt: „The problem in valuation is not that there are not enough models to value an asset, it is that there are too many“.

Methodenvielfalt

Die Gründe für diese Methodenvielfalt sind vielfältig, lassen sich jedoch auf einige Hauptursachen reduzieren. Zum einen hat der stetige Fortschritt der Betriebswirtschaftslehre und der damit verbundene Erkenntnisfortschritt zu einer kontinuierlichen Verbesserung und Weiterentwicklung der Bewertungsverfahren geführt. Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Grund für die Vielfalt an unterschiedlichen Bewertungsmethoden sind die zahlreichen nationalen Gegebenheiten, die sich auf die Unternehmensbewertung auswirken können. Während die Bewertungspraxis in Deutschland und Österreich maßgeblich durch die Wirtschaftsprüfer und deren im IDW S1 bzw. KFS BW1 beschriebenen Methoden geprägt ist, orientieren sich internationale Banken und Beratungshäuser vermehrt an angloamerikanischen Bewertungsverfahren. Bei der Ursachensuche für die Methodenvielfalt dürfen die technischen Neuerungen und Fortschritte nicht vernachlässigt werden. Tabellenkalkulationsprogramme und andere Softwarepakete ermöglichen eine vereinfachte Anwendung komplexer Rechentechniken, was deren Anwendung vereinfacht oder überhaupt erst ermöglicht. Auch der Zugriff auf internationale Datenbanken und Finanzinformationssysteme eröffnen neue Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und Unternehmensbewertung, wodurch sich wiederum neue Methoden entwickeln konnten.

Systematisierungsmöglichkeiten

In der wissenschaftlichen Literatur sowie betriebswirtschaftlichen Praxis finden sich zahlreiche Systematisierungsmöglichkeiten der Unternehmensbewertungsverfahren wieder. Ein beliebtes Klassifizierungsschema unterteilt die verschiedenen Bewertungsansätze in drei Kategorien:

  • Einzelwertbasierte Bewertungsverfahren (Substanzwertverfahren)·

  • Marktwertbasierte Bewertungsverfahren (Muliplikator-Methode)

  • Einkommens- bzw- Cashflowbasierte Bewertungsverfahren (Ertragswertverfahren bzw. Discounted Cashflow Verfahren)

Es ist hervorzuheben, dass diese drei Hauptkategorien zahlreiche weitere Varianten und Untervarianten der einzelnen Bewertungsmethoden umfassen.

Bewertungsmethoden im Überblick

Relevanz der Methoden in der wirtschaftlichen Praxis

Während das Ertragswertverfahren in Deutschland über einen langen Zeitraum die am häufigsten angewandte Methode darstellte, ist es seit Mitte der 1990er-Jahre zu einer „Angloamerikanisierung“ der in der Praxis verwendeten Bewertungsverfahren gekommen.

Verschiedene empirische Studien über die Anwendungshäufigkeit der Unternehmensbewertungsmethoden lassen erkennen, dass in der modernen Bewertungspraxis vor allem die auf investitionstheoretischen Grundlagen aufbauenden Discounted Cashflow-Verfahren (DCF-Verfahren) und die auf dem Vergleich mit öffentlich gelisteten Unternehmen basierende Multiplikator-Methode die am weitest verbreiteten Bewertungsmethoden im deutschsprachigen Raum darstellen. Besonders bei M&A-Transaktionen dominieren das DCF-Verfahren und das Multiplikatoren-Verfahren als vorherrschende Bewertungsmethoden.

Substanzwert Methode

Bei den Einzelbewertungsverfahren werden, wie der Name bereits suggeriert, die Vermögensgegenstände einzeln und isoliert voneinander betrachtet und dabei außer Acht gelassen, dass der Wert eines Unternehmens mehr ist, als die Summe seiner Teile. Den Einzelbewertungsverfahren, die sich auch unter die Bezeichnung „Substanzwertverfahren“ subsumieren lassen, liegt dabei folgender Bewertungsprozess zugrunde: Zunächst werden die individuellen Werte der Vermögensgegenstände ermittelt, bevor im nächsten Schritt die einzelnen Vermögenswerte zum Gesamtunternehmenswert summiert werden. Um den Substanzwert des Unternehmens zu erhalten wird dann der Wert der Schulden subtrahiert. Dabei kann die Berechnung des Substanzwertes unter der Annahme der Fortführung (Reproduktionswert) oder der Auflösung (Liquidationswert) erfolgen.

Durch die isolierte Betrachtung der einzelnen Vermögensgegenstände bleibt das Wesen unternehmerischen Handelns unberücksichtigt. Einzelbewertungsverfahren sind daher zur Bewertung von Unternehmen, die fortgeführt werden sollen, in der Regel ungeeignet. In der Praxis werden diese Methoden vor allem bei der Bewertung von Unternehmen mit schwacher Ertragslage oder in Insolvenzfällen eingesetzt. Die Substanzwertmethoden ermitteln in solchen Fällen die Wertuntergrenze eines Unternehmens. Weitere Details finden Sie hier.

Multiplikator-Methode

Die Bewertung von Unternehmen mittels Multiplikatoren ist ein in der Praxis sehr beliebter und häufig verwendeter Ansatz. Der Grundgedanke dieses Ansatzes ist die Annahme, dass ähnliche Unternehmen zu ähnlichen Preisen wie das Bewertungsobjekt gehandelt werden. Während bei den DCF-Verfahren der Unternehmenswert durch Diskontierung der bewertungsrelevanten Cashflows mit einem adäquaten Kapitalisierungssatz ermittelt wird, werden bei den Multiplikatorverfahren die wertbildenden Erfolgsgrößen (z.B. Umsatz, EBITDA, EBIT) von vergleichbaren Unternehmen in Relation zu deren beobachtbaren Marktpreisen gesetzt. Da auf tatsächlich bezahlte Preise abgestellt wird, werden die Multiplikatorverfahren auch als marktwertbasierte Verfahren bezeichnet.

Bei der Multiplikatormethode entspricht der Unternehmenswert somit dem Produkt aus dem aggregierten Multiplikator der Vergleichsgruppe und einer auf das zu bewertende Unternehmen bezogenen Bezugsgröße:

Unternehmenswert = Multiplikator * Bezugsgröße (z.B. EBITDA, EBIT)

Da bei der Unternehmensbewertung mithilfe von Multiplikatoren weitestgehend auf eine Prognose von Cashflows und Gewinnen sowie auf die Ermittlung eines adäquaten Diskontierungssatzes verzichtet wird, wird das subjektive Ermessen des Bewertenden teilweise durch die Objektivität des Marktes ersetzt. Dennoch bestehen etwa bei der Auswahl der Vergleichsunternehmen oder der passenden Multiplikatoren einige Ermessenspielräume. Des Weiteren können Marktbewegungen der Vergleichsunternehmen den Multiplikator verfälschen. Daher werden in der Regel mehrere Vergleichsunternehmen zur Ermittlung des Multiplikators herangezogen.

Die Marktwerte zur Bildung der verwendeten Multiplikatoren können auf unterschiedlichen Informationsquellen basieren:

  • Multiplikatoren auf Basis von vergleichbaren börsennotierten Unternehmen (Trading-Multiples)

  • Multiplikatoren auf Basis von vergleichbaren Transaktionen (Transaction-Multiples)

  • Multiplikatoren auf Basis von Erfahrungssätzen und Studien

  • Multiplikatoren auf Basis von Börsengängen (IPO-Multiples)

Weitere Details zur Unternehmensbewertung mittels Multiplikatoren finden Sie hier.

Discounted Cashflow Verfahren

Das Discounted Cashflow Verfahren ist eine aus dem angelsächsischen Raum stammende Unternehmensbewertungsmethode und gilt mittlerweile als Standardverfahren, das im Rahmen von Unternehmenstransaktionen eine wesentliche Grundlage zur Wertfindung darstellt. Die Basis der DCF-Berechnung ist die der dynamischen Investitionsrechnung zuzuordnende Kapitalwertmethode, bei der sich der Wert zukünftiger Zahlungsströme durch Abzinsung auf den Bewertungsstichtag abzüglich der Anfangsauszahlungen bestimmt. DCF-Verfahren werden daher auch als kapitalwertbasierte Verfahren bezeichnet.

Bei den Discounted Cashflow-Verfahren wird der Wert eines Unternehmens durch die Diskontierung der erwarteten Cashflows mit einer dem Unternehmensrisiko angemessenen Rate bestimmt. Dadurch wird der intrinsische Unternehmenswert ermittelt. Der Unternehmenswert ist somit eine Funktion der von diesem Unternehmen generierten Cashflows, der Lebensdauer des Unternehmens, des erwarteten Wachstums der Cashflows und der mit diesen Cashflows verbundenen Risikobereitschaft. Vereinfacht ausgedrückt ist der Unternehmenswert der Barwert der erwarteten Cashflows des Unternehmens. Weitere Informationen zur Discounted Cashflow-Methode.

Unternehmenswert ist nicht gleich Kaufpreis

Vor allem im Rahmen von Unternehmenskäufen und -verkäufen ist es entscheidend, den Unterschied zwischen Unternehmenswert und Kaufpreis zu verstehen. Der Unternehmenswert basiert auf objektiven Faktoren und wird durch die eben erläuterten Methoden ermittelt. Der Kaufpreis hingegen ist das Ergebnis von Verhandlungen (Tipps zur Verhandlungsführung bei einem Unternehmensverkauf finden Sie hier) zwischen Käufer und Verkäufer und kann durch subjektive Aspekte wie strategische Synergien, Marktbedingungen oder Verhandlungsgeschick beeinflusst werden. Während der Unternehmenswert eine fundierte Grundlage bietet, kann der tatsächliche Kaufpreis erheblich davon abweichen.


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