So funktioniert die Unternehmensbewertung anhand von Multiples
Schnell und einfach oder doch eine Bewertungsmethode mit Substanz?
Die Bewertung von Unternehmen mittels Multiplikatoren ist ein in der Praxis sehr beliebter und häufig verwendeter Ansatz, der oft als Schätzwert zur Unternehmensbewertung herangezogen wird. Der Grundgedanke dieses Ansatzes entstammt der Annahme, dass ähnliche Unternehmen zu ähnlichen Preisen wie das Bewertungsobjekt gehandelt werden. Während bei den DCF-Verfahren der Unternehmenswert durch Diskontierung der bewertungsrelevanten Cashflows mit einem adäquaten Kapitalisierungssatz ermittelt wird, werden bei den Multiplikatorverfahren die wertbildenden Erfolgsgrößen (z.B. Umsatz, EBITDA, EBIT) von vergleichbaren Unternehmen in Relation zu deren beobachtbaren Marktpreisen gesetzt. Da auf tatsächlich bezahlte Preise abgestellt wird, werden die Multiplikatorverfahren auch als marktorientierte Verfahren bezeichnet.
Da bei der Unternehmensbewertung mithilfe von Multiplikatoren weitestgehend auf eine Prognose von Cashflows und Gewinnen sowie auf die Ermittlung eines adäquaten Diskontierungssatzes verzichtet wird, wird das subjektive Ermessen des bewertenden Unternehmens teilweise durch die Objektivität des Marktes ersetzt. Dennoch bestehen etwa bei der Auswahl der Vergleichsunternehmen oder der passenden Transaktionen erhebliche Ermessenspielräume. Des Weiteren können Marktbewegungen der Vergleichsunternehmen den Multiplikator verfälschen. Nichtsdestotrotz zeigen verschiedene Studien deutlich, dass die Multiplikatormethode in der Praxis bedeutender ist, als ihr Ruf in der Lehre vermuten lässt.
Bei der Multiplikatormethode entspricht der Unternehmenswert dem Produkt aus dem aggregierten Multiplikator der Vergleichsgruppe bzw. der vergleichbaren Transaktionen und einer Bezugsgröße des zu bewertenden Unternehmens:
Unternehmenswert = aggregierter Multiplikator * Bezugsgröße (U)
Bezugsgröße
Wichtig bei der Berechnung des Multiplikators ist, dass die Wertgröße mit der Bezugsgröße in einem sinnvollen Zusammenhang steht. Ob der Equity Value oder der Enterprise Value als Wertgröße herangezogen werden muss, ist von der verwendeten Bezugsgröße abhängig. Steht die Bezugsgröße wie beispielsweise der Jahresüberschuss allein den Eigenkapitalgebern zu, so ist diese in Beziehung zum Equity Value zu setzen. Handelt es sich bei der Bezugsgröße um eine vom Gesamtkapital erwirtschaftete Kennzahl, die dementsprechend auch allen Kapitalgebern zur Verfügung steht (z.B. Umsatz, EBITDA, EBIT), ist für die Multiplikatorermittlung der Enterprise Value heranzuzuziehen.
Als Bezugsgrößen kommen Zahlen der Gewinn- und Verlustrechnung, der Bilanz, der Cashflow-Rechnung, aber auch sonstige nicht-finanzielle Kennzahlen in Frage. Die Bezugsgröße sollte dabei einen zentralen Werttreiber des Unternehmens widerspiegeln und muss mit der Bezugsgröße der Vergleichsunternehmen übereinstimmen.
Wichtig bei der Ermittlung der Unternehmenswertes anhand von Multiplikatoren ist, dass die Bezugsgrößen (meist EBITDA oder EBIT) um einmalige, nicht wiederkehrende, ungewöhnliche, nicht operative Erträge/Aufwendungen bereinigt werden.
Laut einer Studie der FHS St. Gallen kommen folgende Bezugsgrößen bzw. Multiplikatoren bei der Anwendung der Multiplikatormethode am häufigsten zur Anwendung:
Wie die Abbildung zeigt, wird das EBITDA als Bezugsgröße bzw. Multiples wie EV/EBITDA (87 Prozent) oder EBIT bzw. EV/EBIT (62 Prozent) am häufigsten angewendet. Bei der Bewertung von KMU kommen Equity-Multiples wie zum Beispiel KUV oder KBV eher selten zum Einsatz. Auch der Umsatz als Bezugsgröße wird im Vergleich zum EBITDA oder EBIT eher seltener eingesetzt, da hier die Profitabilität der Vergleichsunternehmen bzw. der zu bewertenden Unternehmens außer Acht gelassen wird.
Herleitung der Multiplikatoren
Der Multiplikator entspricht dem Verhältnis des Marktwertes eines Unternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt und bei einer bestimmten Bezugsgröße des Vergleichsunternehmens:
Die einzelnen Multiplikatoren der Vergleichsunternehmen bzw. vergleichbaren Transaktionen werden zu einem aggregierten Multiplikator (z.B. Mittelwert oder Median) verdichtet.
Die Marktwerte zur Bildung der verwendeten Multiplikatoren können auf unterschiedlichen Informationsquellen basieren:
Multiplikatoren auf Basis von vergleichbaren börsennotierten Unternehmen (Trading-Multiples): Im Rahmen einer Multiplikatorenbewertung auf Basis von vergleichbaren börsennotierten Unternehmen wird der Unternehmenswert des Bewertungsobjektes aus den Marktpreisen von börsengelisteten Unternehmen abgeleitet. Diesem Ansatz liegt die Prämisse zugrunde, dass die Marktkapitalisierung eines börsennotierten Unternehmens den fairen Wert des Eigenkapitals widerspiegelt. Da die Bewertung auf tatsächlichen Marktpreisen beruht, reflektiert diese Methode die Einschätzung der Marktteilnehmer hinsichtlich der aktuellen Markt- und Branchentrends.
Multiplikatoren auf Basis von vergleichbaren Transaktionen (Transaction-Multiples): Transaktionsmultiplikatoren werden aus Transaktionspreisen von ähnlichen Unternehmen abgeleitet. Ein wichtiger Faktor, der bei der Unternehmensbewertung auf Basis von vergleichbaren Transaktionen Berücksichtigung finden muss, ist die Tatsache, dass implizite Kontrollprämien und Synergieeffekte im Transaktionspreis bereits eingepreist wurden. Allerdings bleibt die Höhe der jeweiligen Prämien offen.
Multiplikatoren auf Basis von Erfahrungssätzen und Studien: Der Multiplikator wird auf Basis von allgemein akzeptierten Größen gebildet, die sich auf Erfahrungen von in der Vergangenheit realisierten Transaktionspreisen stützen. Dazu werden Multiplikatoren häufig aus Umfragen und Studien oder aus den eigenen Erfahrungswerten herangezogen. Während die Bildung von Multiplikatoren auf Basis von Erfahrungssätzen einen geringen wissenschaftlichen Hintergrund hat, ist diese Vorgehensweise in der Praxis, vor allem bei M&A-Transaktionen im Mittelstand, sehr beliebt.
Multiplikatoren auf Basis von Börsengängen (IPO-Multiples): Dieser Ansatz basiert auf denselben Grundannahmen wie die Bildung von Multiplikatoren auf Basis von vergleichbaren Transaktionen. Beim IPO-Ansatz wird der Marktpreis des Unternehmens anhand der Emissionspreise von ähnlichen, neu an der Börse eingeführten Unternehmen abgeleitet. Diese Methode findet aufgrund der ungenügenden Anzahl von Börsengängen in der Praxis jedoch kaum Anwendung.
Schnell und einfach oder doch ein Bewertungsverfahren mit Substanz?
Multiplikatorverfahren ermöglichen in der Regel eine schnelle und einfache Einschätzung eines überschlägigen Unternehmenswert. Die Prognose der zukünftigen Unternehmensentwicklung entfällt jedoch im Gegensatz zu den DCF-Verfahren. Vor allem im Rahmen von M&A-Transaktionen wird daher sehr häufig auf die Unternehmensbewertung anhand der Multiplikatormethode zurückgegriffen.
Dennoch werden Multiplikatoren oft missverstanden und noch häufiger falsch angewandt. Die Fähigkeit, bei einer Multiplikatorbewertung die richtigen Entscheidungen zu treffen, wie z. B. die Auswahl geeigneter Transaktionen oder der Peer-Group, die Auswahl der passenden Multiplikatoren, die Bereinigung der Bezugsgröße oder auch die Anwendung verschiedener Abschläge und Zuschläge vom endgültigen Unternehmenswert, unterscheidet erfahrene Bewertungsveteranen von Neulingen.