Auf welche Bewertungsverfahren setzt die Praxis?
Theorie und Praxis klaffen oft auseinander - in diesem Artikel werden die Bewertungsverfahren erläutert, die wirklich in der Praxis angewendet werden.
Unternehmensverkäufe und Nachfolgeregelungen sind häufige aber nur einige von zahlreichen Anwendungsfeldern, bei denen eine Unternehmensbewertung eine wertvolle Rolle spielt. Ziel einer fundierten Unternehmensbewertung im Rahmen von Unternehmenskäufen bzw. -verkäufen ist es, eine nachvollziehbare Preisgrundlage herzuleiten, die auch für dritte Parteien nachvollziehbar und plausibel erscheint.
Die bekanntesten Methoden zur Unternehmensbewertung sind:
Disocunetd Cashflow-Methode
Multiplikatormethode
Substanzwertmethode
Ertragswertverfahren
Mittelwertmethode
Realoptionsansatz
Die wissenschaftliche Lehre zeigt klare Präferenzen dafür, nach welchen Verfahren Unternehmen bewertet werden sollten. In der Theorie, wie auch in den deutschsprachigen Bewertungsstandards (IDW S1 in Deutschland bzw. KFS BW1 in Österreich), haben sich ganz klar investitionstheoretisch fundierte Ansätze, zum Beispiel die Discounted Cashflow-Methode, als zentrale Bewertungsmethoden hervorgetan.
Ob die deutschsprachige Bewertungspraxis dieser Lehrmeinungen gerecht wird, zeigen die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung der FHS St. Gallen:
Auch wenn die Studie anhand von Schweizer Bewertungspraktikern durchgeführt wurde, können die Ergebnisse auf den gesamten deutschsprachigen Raum übertragen werden.
Die Discounted Cashflow-Methode (DCF) ist die in der Praxis am häufigsten verwendete Bewertungsmethode, unabhängig von der Unternehmensgröße. Diese Methode prognostiziert zukünftige Free Cashflows über eine Detailplanungsperiode, diskontiert sie mit den Kapitalkosten und summiert sie zusammen mit einem diskontierten Endwert (Terminal Value) zum Unternehmenswert. Wie in der Abbildung dargestellt, wird die DCF-Methode von etwa neun von zehn Befragten verwendet, deutlich häufiger als alle anderen untersuchten Bewertungsverfahren. Aufgrund ihrer weiten Verbreitung und Akzeptanz gilt sie in der modernen Bewertungstheorie zu Recht als weltweiter Best-Practice-Ansatz.
Auf dem zweiten Platz liegt die Multiplikatormethode, die von 77 Prozent der Befragten genutzt wird und damit deutlich häufiger zum Einsatz kommt als alle nachfolgenden Bewertungsmethoden. Bei dieser Methode wird der Unternehmenswert durch die Multiplikation unternehmensspezifischer Kennzahlen wie beispielsweise EBITDA oder EBIT mit Markt-Multiples berechnet, die aus der Relation von Unternehmenswert und Kennzahlen einer Gruppe vergleichbarer Unternehmen (Peergroup) oder Transaktionen abgeleitet werden. In der Lehre wird die Multiplikatormethode vor allem zur Plausibilisierung und zum Vergleich mit anderen Methoden, wie der DCF-Methode, empfohlen. Die vorliegende Studie zeigt jedoch, dass die Multiplikatormethode in der Praxis eine größere Bedeutung hat als ihr Ruf in der akademischen Lehre vermuten lässt. Gründe dafür sind ihre einfache Verständlichkeit, die Möglichkeit einer Bewertung ohne detaillierte Planrechnungen und ein gewisses Maß an Objektivität, da das Ergebnis stets in Abhängigkeit von der Peergroup ermittelt wird.
Die Substanzwertmethode wird von etwas mehr als der Hälfte der Befragten verwendet. Dabei wird der Substanzwert durch die Aufsummierung aller Bilanzpositionen, bereinigt um etwaige stille Reserven bzw. Lasten, ermittelt. Obwohl dieser Bewertungsansatz mit seiner Vergangenheitsorientierung im Gegensatz zum heute anerkannten Bewertungsstandard der Zukunftsorientierung steht, ist die relativ hohe Beliebtheit vermutlich darauf zurückzuführen, dass der Substanzwert häufig ergänzend zur DCF-Methode herangezogen wird und oftmals als Preisuntergrenze dient.
Die auf weiteren Rängen folgende Mittelwertmethode (51 Prozent) und Ertragswertmethode (40 Prozent) haben im DACH-Raum, je nach Region, unterschiedlich hohe Bedeutung. Beide Ansätze hatten in der Vergangenheit einen sehr hohen Stellenwert in der Bewertungspraxis, werden aber nach und nach von der DCF-Methode bzw. dem Multiplikatoverfahren abgelöst.
Realoptionsansätze (4 Prozent) spielen zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine untergeordnete Rolle in der deutschsprachigen Bewertungspraxis.
Schlussbermerkungen
Die Schweizer Studie zeigt also, dass in der Praxis vor allem die Discounted-Cashflow-Methode (DCF) dominiert, welche als Best-Practice-Ansatz gilt. Die Multiplikatormethode ist ebenfalls weit verbreitet, was auf ihre einfache Handhabung und Objektivität zurückzuführen ist. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer fundierten Mischung aus theoretischem Wissen und praktischer Anwendung in der Unternehmensbewertung.